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Was lange währt, wird endlich gut:Ein Konzert mit 29 Jahren Planungsvorlauf

Als ich den Sommerurlaub 1989, dem Jahr, in dem die Berliner Mauer fiel, mit meinen Eltern im beschaulich idyllischen Örtchen Sigtuna am Mälarsee unweit von Stockholm in Schweden verbrachte, ahnte ich nicht, welch weitreichende Konsequenzen und Auswirkungen dieser Ferienaufenthalt 29 Jahre später für St. Nikolaus in Köln-Sülz haben könnte und würde. (Zumal ich damals weder Sülz noch St. Nikolaus kannte oder davon gehört hatte.)
Datum:
10. Okt. 2018
Von:
Marius Horstschäfer

14 Jahre alt und voller Enthusiasmus und Leidenschaft, neue Orgeln zu entdecken und auch in den Ferien nicht auf’s tägliche Orgelüben verzichten zu müssen, suchte ich Ulla Lundkvist, seit wenigen Monaten die damals neue Kirchenmusikerin und Kantorin an der dortigen wunderschönen und altehrwürdigen gotischen Marienkirche auf und fragte sie, ob es für mich denkbar sei, an „ihrer“ Orgel spielen und üben zu dürfen. Voller Gastfreundschaft bejahte sie dies sofort und scheute weder Weg noch Mühen, mir in diesem Urlaub immer wieder freundlich und vertrauensvoll die Orgel aufzuschließen und für stundenlanges Spielen zu überlassen. Am Ende der Ferien, als wir uns verabschiedeten, übergab sie mir gar noch ein Notenexemplar der Toccata von Eugène Gigout mit den Worten, dass es sich um Noten ihres Mannes handele, der ein bekannter Organist in Stockholm sei und zwei Exemplare davon und somit eines zu viel besäße, das ich behalten dürfe. Ich freute mich sehr über dieses besondere Geschenk und hielt die Noten stets in Ehren. Wieder zurück im heimischen Unna angekommen, begann ich sofort, das neue Stück zu üben und einzustudieren.

28 Jahre später, im April 2017, erreichte mich überraschenderweise eine sehr freundliche E-Mail eines Kollegen aus Stockholm, der sich mir als Erik Lundkvist, ehemaliger Organist am Stockholmer Konzerthaus, in dem die jährlichen Nobelpreisverleihungen stattfinden, und der königlichen Stockholmer Philharmonie vorstellte und schrieb, dass er seit einiger Zeit öfters unsere Sonntagsmessen in St. Nikolaus besuche, da seine Tochter am Max-Planck-Institut in der Nähe der Uniklinik arbeitet. Weiter schrieb er, dass er bei diesen Besuchen zusammen mit seiner Frau in Köln auch sehr gerne unsere Kirche samt ihrer wunderbaren Mühleisen-Orgel genieße. Am Ende dieser Mail standen herzliche Grüße aus Sigtuna – und schlagartig dachte ich an die schönen Ferien dort vor 28 Jahren, die schöne Orgel, die so freundliche Organistin, die Noten von Gigout…und eine Ahnung dämmerte in mir.

Nur kurze Zeit später stellten wir gegenseitig fest, dass es damals tatsächlich Eriks Frau Ulla gewesen war, die mir seine Noten überreicht hatte und ich nun unter Beweis stellen konnte, ob ich das Stück in den vergangenen Jahrzehnten wirklich geübt hatte und inzwischen spielen konnte. Überwältigt von all dem Wundersamen, das diese so merkwürdige Fügung in sich birgt, – wie unendlich viele kleine Entscheidungen und Weggabelungen gehörten dazu, dass wir uns so und in diesem Zusammenhang nach all den Jahren nun endlich einmal begegnet sind! – beschlossen wir direkt voller Enthusiasmus, dass noch binnen Jahresfrist jeder von uns beiden an der jeweiligen Orgel des anderen ein Konzert spielen müsse.

Gesagt, getan: so wurde mir die besondere Freude und Ehre zuteil, im Oktober 2017 an der wunderschönen Grönlund-Orgel in Sigtuna zu einem Konzert eingeladen gewesen zu sein (beim Betreten der Kirche überwältigte mich der genau selbe Duft wie im Jahr 1989) und Erik Lundkvist erwiderte den Besuch im März 2018 mit einem großartigen, überaus gut besuchten Orgelkonzert bei uns in St. Nikolaus im Rahmen unserer Sülzer Abendmusiken. Mit eigenen Werken und weiteren von Oskar Lindberg und Otto Olsson, einem bedeutenden schwedischen Orgelkomponisten und Amtsvorgänger von Erik Lundkvist an der großen romantischen Orgel der Stockholmer Gustav-Vasa-Kirche, gab er uns mit einer bewegenden klanglichen Umsetzung auf unserer Mühleisen-Orgel beeindruckende klangliche Glaubenszeugnisse von schwedischen Komponisten zu Gehör, die in Deutschland nur äußert selten zu hören sind. Die Begeisterung von Erik Lundkvist für unsere Orgel in St. Nikolaus drückt sich auch in seinem Eintrag ins Gästebuch unserer Orgel aus: „Diese herrliche Mühleisen-Orgel muss die beste in Köln sein. Ich liebe diese Orgel und Danke für die Einladung von Marius Horstschäfer. 18/03/2018. Erik Lundkvist, Schweden“ –

Schließlich: inzwischen singt auch Erik Lundkvists Tochter Gabriella bei uns im Schalom-Chor mit – eine vorerst letzte, für uns wiederum höchst erfreuliche Folge dieses denkwürdigen und langfristig so fruchtbaren Sommerurlaubs 1989 zusammen mit meinen Eltern am Mälarsee.