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Liebe Kirche,

ich habe mir als interessierte und gläubige Sülzerin ihren Pfarrbrief Sülz Klettenberg Ausgabe 35 durchgelesen und möchte Ihnen zwei Erlebnisse während meiner Corona Zeit erzählen:
Briefkasten
Datum:
6. März 2021
Von:
Eine Sülzerin

Meine Mutter, 86 Jahre alt, lebt seit 2015 im Altenheim. Sie ist geistig fit und rege. Für sie und uns Kinder war es unerträglich zu sehen, wie sie über diesen langen Zeitraum isoliert in ihrem Zimmer leben musste. Wir konnten über den Balkon mit ihr Kontakt halten. Jeglicher Besuch zu den anderen Heimbewohnern war untersagt. Meine Mutter telefoniert sehr gerne und sie hat diese Phase mit Schreiben überbrückt. Sie hat an ihre Familienmitglieder Briefe, lange Briefe geschrieben, die uns Kindern ihre Gefühle, ihre Trauer, ihre Tiefsten Erlebnisse haben teilnehmen lassen. Meine Mutter hat diese Zeit unbeschadet überstanden.

Meine Tante, 93 Jahre alt; kam in diesem Februar diesen Jahres ins Altenheim. Dann kam der Lockdown. Sie durfte sich nicht mit Hilfe ihrer Verwandten in dieses Leben eingewöhnen. Krank und gebrechlich musste sie den Lockdown über sich im Bett übergehen lassen. Wenn sie Glück hatte, hat ein Pfleger ihr das Bett so gerichtet, dass sie wenigstens rausschauen konnte. Ich konnte noch mit ihr telefonieren. Es war das Einzige, was ihr noch geblieben ist. Ich konnte sie nur schwer verstehen, aber sie war maßlos traurig über das, was da mit ihr geschah. Sie ist eine tapfere Frau. Im Krieg wurde sie vergewaltigt, aus einer Vergewaltigung wurde sie mit 18 Jahren schwanger. Der kleine Junge starb mit 1,5 Jahren im kalten Winter.

Sie wurde von Tag zu Tag schwächer, als die Nierenwerte nicht mehr hinnehmbar waren, durfte ihr Neffe sie im Schutzanzug im Altenheim aufsuchen, um sie zu überreden, ins Krankenhaus zu gehen. Sie weigerte sich. Sie starb am 12.06.2020 diesen Jahres alleine im Krankenhaus ohne Abschied, ohne Berührung ohne das Gebet eines Geistlichen. Sie war katholisch und hat an ihrem Glauben festgehalten.

Ich möchte Sie bitten für beide Frauen zu beten und Sie dazu anregen, nicht einfach Psalmen aus einem Zusammenhang zu reißen, nur weil sie gerade zu dem Thema „Nähe und Distanz“ passend sind. Es ist ein einfaches Stilmittel, macht mich aber sehr traurig, wenn ich solche Schicksale erlebe.
Ich vermisse die Kirche im Widerstand zu den unverhältnismäßigen Maßnahmen!

Es grüßt Sie herzlichst eine Sülzerin
Frieden, Freiheit und Brüderlichkeit