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Beichte heißt auch: „Was kann ich für mich tun?“

Stehtische und Pappkartons, Kerzenleuchter und Blumenkübel: Beichtstühle dienen heute oftmals als praktischer Lagerort für nötige Hilfsmittel im Kirchenalltag. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Beichte und der Umgang damit verändert haben. Wir haben hinter die Vorhänge geschaut und bei Pfarrer Karl-Josef Schurf nachgefragt.
Dieses Exemplar wird tatsächlich noch für eine Beichte genutzt
Datum:
22. Okt. 2019
Von:
Katja Fischborn

Die Beichte ist für manche ein Wort des Schreckens. Verbunden mit schlechten Kindheitserinnerungen oder geprägt vom eher negativen Hörensagen gibt es heute weniger Menschen, die regelmäßig „zur Beichte gehen“. Dabei hat das geflügelte Wort „sich die Beichte abnehmen lassen“ doch auch etwas Schönes – nämlich die Last, die auf einem liegt, zu teilen. In erster Linie mit einem Priester, aber eigentlich geht es um den Draht nach ganz oben. Das sieht auch Pfarrer Karl-Josef Schurf so: „Ich möchte bei der Beichte eine Möglichkeit schaffen, dass dieser Mensch einen Zugang zu Gott findet.“

Ein Gespräch mit Selbsterkenntnis

Was verbirgt sich nur hinter diesen Vorhängen...

Dabei soll und will er das, was er hört, nicht bewerten. „Dadurch, dass ich es mit meinen eigenen Worten wiedergebe, setzt beim Gegenüber meist schon ein Erkennen ein.“ Wo früher eine Buße der Sünden in Form von einer bestimmten Anzahl an Gebeten „verordnet“ wurde, steht heute eher die Aufforderung zur Versöhnung im Vordergrund: mit Gott, mit der Person, der man vielleicht geschadet hat – und mit sich selbst. Der fast schon therapeutische Ansatz ist ein großer Unterschied zu früher. Der beichtende Mensch soll erkennen und im besten Fall in der Lage sein, etwas zu ändern.

Über manche Gespräche denkt Pfarrer Schurf auch später noch nach: „Ich habe das Ziel, dass jemand für sich selbst den nächsten Schritt entdeckt und frei wird von ohnmächtigen Abhängigkeiten." Das Gefühl des Angenommenseins, die positive Bestärkung „Du bist gut so!“ ist für ihn wichtig zu vermitteln. Weitergegeben an Dritte wird natürlich nichts, denn es gilt das Beichtgeheimnis

Hinter den Vorhängen

Stehtische im Beichtstuhl in St. Nikolaus

Auch heute noch kann man in St. Karl Borromäus und St. Bruno regelmäßig beichten, ganz klassisch im Beichtstuhl sitzen Pfarrer Schurf und sein Kollege Jürgen Rentrop und warten vor der Vorabendmesse samstags auf „Kundschaft“. Tatsächlich merkt Pfarrer Schurf, dass kurz vor Ostern und Weihnachten mehr Menschen die Gelegenheit nutzen.

Doch diese Form der sognannten „Ohrenbeichte“, bei der man sich nicht in die Augen sieht, wird seltener nachgefragt. Das sehen wir in unseren drei Kirchen auch buchstäblich ganz deutlich. Wenn man nämlich die Vorhänge vor den Beichtstühlen in St. Nikolaus, St. Bruno und St. Karl zur Seite zieht und das Licht anknipst, kommt in manch einem zu Tage, was so gar nicht zu dem Thema passen mag, aber trotzdem ganz viel mit Kirche zu tun hat: Blumentöpfe und Stehtische, Lesepulte und Kerzenständer, Kartons und Kisten, ein Keyboard und Kniepolster. 

Beichtgespräch auf Augenhöhe

Der Beichtstuhl bietet praktischen Stauraum

„In 90 Prozent der Fälle, in denen jemand Redebedarf hat, verabredet man sich heute zu einem Gespräch. Das findet in einem offenen, aber geschützten Raum statt, auf zwei Stühlen einander gegenüber“, erklärt Pfarrer Schurf. Diese Variante auf Augenhöhe würden eher jüngere als ältere Menschen wählen, zumal es hier oft um eine religiöse Begleitung bei Lebensthemen wie Beziehungen, Ehe, Kinder gehe. Diese Gespräche dauerten meist eine bis anderthalb Stunden und könnten im Abstand von einigen Wochen fortgeführt werden. Und manchmal gebe es am Ende der Treffen auch eine Beichte. Diese folge auch hier einem Ritual, sagt Schurf, denn am Ende spreche er ein freies Gebet und erteile in der sakramentalen Lossprechung den Segen. Leben, Glauben und Persönlichkeitsentwicklung gehören zusammen; Pfarrer Schurf sieht es als seine Aufgabe, diese Dinge mit den Menschen, die zu ihm kommen, zu ordnen oder „wie eine Hebamme“ ans Licht zu bringen. 

Das Gleichnis vom Zöllner Zachäus

Zuhören, den anderen spüren lassen, dass er gut so ist, wie er ist, ihn annehmen: Das ist Pfarrer Schurf sehr wichtig. In der Seelsorge für die Gemeinschaft den Einzelnen nicht vergessen. So wie Jesus den Zöllner Zachäus im Baum sah, ihn ansprach und bei ihm zu Gast war. Vielleicht haben sie ein ähnlich offenes Gespräch geführt, denn Zachäus gelobt im Gleichnis nicht nur Buße und Besserung, sondern scheint ganz verwandelt. Die Beichte kann auch als Sakrament der Versöhnung bezeichnet werden – und das heißt auch: Versöhnung mit sich selbst.

Beichte in der Kommunionvorbereitung

Hier steht auch dran, welcher Pfarrer seinen Dienst versieht

In der Kommunionvorbereitung haben viele Kinder zum ersten Mal Kontakt mit diesem Thema. Sie sollen erleben, dass eine Beichte nichts Schlimmes ist, sondern eine Möglichkeit, sich jemandem außerhalb von Familie und Freunden anvertrauen zu können, wenn etwas nicht so gut gelaufen ist. Und dieser „Jemand“ schafft eine Verbindung zu Gott.

Vielleicht wegen ihrer eigenen, nicht so positiven Beichterfahrung löst dieser Aspekt bei den Eltern öfter Sorgen aus: „Wie wird es meinem Kind damit gehen?“ Den streng blickenden, strafenden Priester, der in der Seele des Kindes bohrt, müssen sie aber nicht fürchten. „Kinder frage ich meist einfach: Was möchtest du für jemand anderen tun? Da haben die meist schon eigene Ideen“, erzählt Schurf. 

Wunsch nach Anonymität

Manch einer möchte trotz allem lieber unerkannt bleiben, wenn er sein Gewissen erleichtert. Dazu kann jeder auch in einer anderen Gemeinde beichten. „Wenn mich jemand fragt, wo er hingehen kann, empfehle ich auch bestimmte Kollegen gerne weiter“, bietet Pfarrer Schurf an. Für einen ersten Kontakt könne man ihn einfach ansprechen, anrufen oder anmailen. Dann werde ohne viel Zeitverzug besprochen, wie es weitergeht: „Ich habe keine Zeit, das gibt es bei mir nicht. Vielleicht habe ich nicht heute, jetzt, spontan Zeit. Aber die nehme ich mir dann.“

Kontaktdaten:

Pfarrer Karl-Josef Schurf, Tel.: 0221-240 79 64, karl-josef.schurf@kirche-sk.de

Pfarrvikar Dr. Jürgen Rentrop, Tel.: 0221-261 12 10, juergen.rentrop@kirche-sk.de