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Es geht auch anders?!:Digitale Herausforderungen für Gottesdienst und Co.

Streams zu Pfingsten, Tickets zu Weihnachten, dazwischen „Gottesdienst at home“ und Chorpröbchen draußen. Wie geht es den in der Gemeinde Aktiven in der Pandemie; können sie ihr etwas Positives abgewinnen, aus ihr lernen? Wir haben mit Karl-Josef Schurf, Benedikt Kellermann, Manfred Schümer und Florian Schlange gesprochen. Seelsorger, Kirchenmusiker und Messdiener mögen unterschiedlich auf die Situation schauen, aber eines sehen alle gleich: Nichts kann den persönlichen Kontakt ersetzen.
Hygienevorschriften auch am Altar
Datum:
6. März 2021
Von:
Julia Greipl, Charlotte Trepel, Victoria Sonntag, Katja Fischborn
Manfred Schümer

„Digital? Da bin ich der Falsche. Im Dezember hatte ich zum ersten Mal eine digitale Konferenz im Seelsorgeteam. Danach hatte ich einen Virus, aber nicht Corona... Beide, der Computer und ich, waren überfordert“, schmunzelt Manfred Schümer, Kirchenmusiker von St. Bruno. Um gleich danach zu betonen, dass digitale Konferenzen durchaus stattfänden und zum menschlichen Austausch wichtig seien. Auch Pfarrer Karl-Josef Schurf hat sich an die virtuellen Meetings schon gewöhnt, auch wenn sie manchmal anstrengend seien. Doch der Dialog sei unverzichtbar, wenn es in der aktuellen Situation auch mal schwerfalle, Dinge so zu vermitteln.

Veränderungen in den Gottesdiensten

Pfarrer Schurf

Und wie sieht es analog aus, in den Gottesdiensten? Aufgrund der verschärften Maßnahmen darf dort zurzeit, anders als noch im Herbst, nicht gesungen werden. „Ich finde es wirklich schlimm, nicht gemeinsam singen zu dürfen. Das ist ein verbindendes Ritual, ebenso, wie das Vaterunser zu sprechen. Das kann nun alles nur angedeutet werden. Vor Corona hätte ich dem Ganzen allerdings eine deutlich geringere Bedeutung zugemessen“, sagt Schurf über seine veränderte Einschätzung. Florian Schlange bestätigt das. Für den 22-Jährigen, der in der Jugendband Klavier spielt, ist es sehr befremdlich, „die Gemeinde nur zu beschallen.“

Und noch etwas ist jetzt anders: Manche Teile der Liturgie, wie das Sanctus und das Gloria, die vorher gesungen wurden, werden nun von der Gemeinde gesprochen. Dabei stellt Schümer fest, dass die Gemeinde besser singt als spricht und viele Gottesdienstbesucher nicht textsicher sind. So setzt er einfach diese liturgischen Texte aufs Liedblatt für die Wochenendmessen. Schümer sieht diese Notlösung sogar als Gewinn, da das Sprechen die Inhalte noch mehr auf den Kern bringen könne. „Was ich außerdem gerne mache, ist, dass ich die Gemeinde einen Liedtext sprechen lasse, und anschließend spiele ich eine Strophe dieses Liedes auf der Orgel. Dies ist eine alte evangelische Praxis, die es seit Jahrhunderten gibt.

Auf der Suche nach neuen Wegen

Kaplan Benedikt Kellermann

Musikalische Kreativität, strenge Einhaltung der AHA-Regeln, Anmeldeverfahren und viel Bürokratie – damit reagieren die Kirchen auf die lange Schließung im vergangenen Frühjahr. Und tatsächlich: Die Besucher sind zurückgekommen. Sie gehen wieder in die Gottesdienste. Aber es sind so wenige! Neue Gesichter können die Hauptamtlichen hinter den Masken kaum erkennen. Wäre es dann nicht sinnvoll, die zarten Pflänzchen „gestreamte Gottesdienste“ und „Segen-to-go“ weiter zu gießen? „Leider haben wir nicht einmal WLAN in der Kirche“, seufzt Kaplan Benedikt Kellermann. Und von digitalen Chorproben halten Manfred Schümer und sein Kollege von St. Nikolaus, Marius Horstschäfer, nichts. „Man müsste viel technisches Know-how haben, aber abgesehen davon ist digitales Musizieren immer zeitversetzt, ungenau, unsauber“, begründet Schümer.

Und auch Kellermann, der sogar im Priesterseminar digitale Darstellungsformen eingeübt hat und bei Facebook und Instagram zuhause ist, sieht deren Grenzen: „Ich suche noch nach der guten Lösung. Man sollte nämlich schon genau wissen, was man wie benutzt. Und vor allem: Ich will ja die Leute hier, vor Ort, erreichen.“ Aber ist es nicht auch schön, ganz anderen Menschen zu begegnen? „Das stimmt, aber was kommt dann? Es entsteht keine Gemeinschaft, Menschen werden zu Followern, zu Konsumenten.“ Und was ist mit der jüngeren Generation? „Für sie wären digitale Angebote zeitgemäß. Sie sollten allerdings abgekoppelt von den Gottesdiensten sein“, glaubt Florian Schlange, der seit seiner Kommunion auch Messdiener ist. „Ich merke immer wieder, dass Kinder und Jugendliche viele Fragen zum Glauben haben. Das wäre ein möglicher Ansatz, verschiedene Formate zum Glauben. Möglichst dialogisch gestaltet und auf keinen Fall belehrend.“ Er kann sich ergänzende Videokonferenzen gut vorstellen.

Analoge Neuerungen

'Wein und Brot' vor dem Kölner Dom

„Ich versuche, an den digitalen Ausweichmöglichkeiten vorbei manches am Leben zu halten“, macht Manfred Schümer aus der Not eine Tugend. Er sieht viele Möglichkeiten, in kleinster Besetzung Kunstvolles zu erschaffen. „Ich habe – mit einem gewissen Augenzwinkern – eine „Missa in Tempore Coronae“ komponiert, bei der ich gerne den Chor eingesetzt hätte. Letztendlich haben wir daraus ein Duett für Stimme und Orgel gemacht.“ 

Karl-Josef Schurf freut sich darüber, dass der ganztägig geöffnete Kirchenraum wirklich genutzt wird. „Es kommen den ganzen Tag über Menschen, um etwa eine Kerze anzuzünden.“ Die offene Kirche solle unbedingt erhalten bleiben, um auch Momente wie diesen zu erleben: „Drei Frauen mit Musikinstrumenten sind eines Tages einfach nach St. Nikolaus gekommen, haben ihre Instrumente drinnen aufgebaut und angefangen zu spielen. Ich würde mich freuen, wenn sie mal wiederkämen.“ 

Ersetzen kann die erzwungene Digitalisierung das analoge Miteinander nicht, darin sind sich alle einig. Nicht nur wegen der fehlenden Aura im realen Kirchenraum, sondern vor allem wegen der fehlenden Gemeinschaft. Irgendwann wird auch sie wieder möglich sein. Aber nicht allen. Daher: Die Seuche soll ein Ende haben, die Suche nach neuen Möglichkeiten nicht.