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Viel Ärger ums Betteln

Vor fast jedem Supermarkt sind Bettler*innen anzutreffen, manche sehr forsch und unangenehm, aber nicht alle. Ein persönlicher Erfahrungsbericht von Diakon Hanno Sprissler.
Frau Florea neben dem Supermarkt
Datum:
23. Okt. 2021
Von:
Hanno Sprissler

Die Rumänin Dafina-Filomena Florea ist eine der ruhigen Bettlerinnen: Sie steht jeden Tag vor dem Laden einer Bio-Supermarktkette auf der Berrenrather Straße, hält ihren Pappbecher und eine Obdachlosenzeitung in der Hand, spricht niemanden an.
Dennoch gibt es Menschen, die auch so ein zurückhaltendes Betteln stört. Ein Gemeindemitglied wies mich Anfang 2021 darauf hin, dass er mitbekommen habe, wie ein Mitarbeiter des Bio-Supermarktes die Bettlerin auf ungewöhnlich heftige Weise verbal angegangen sei. Ich fragte beim stellvertretenden Marktleiter nach, der ungehalten und gereizt reagierte. Er unterstellte Frau Florea kriminelles Verhalten und Bandenzugehörigkeit. Meine vierjährigen Erfahrungen und Erkenntnisse mit der Bettlerin ließ er nicht gelten und behauptete, es hätten sich viele Kund*innen beschwert. Ich wies darauf hin, dass in den etwa drei Jahren vor seiner Tätigkeit in Sülz Frau Floreas Betteln nie Probleme gemacht habe. Ich gab ihm meine Karte und bot an, mit den sich Beschwerenden zu sprechen. Das Gespräch endete leider ohne Ergebnis. Ich bat Frau Florea, sich weiter entfernt vom Eingang hinzustellen. Kurze Zeit später fuhr sie, wie sie mir erzählte, zu einer stationären Behandlung in ihrer Heimat.
Als sie im Oktober 2021 zurückkehrte, kam es bereits am ersten Tag wieder zu Spannungen mit dem Marktleiter. Sie wand sich hilfesuchend an mich. Erneut sprach ich den Marktleiter an und erklärte ihm, dass Frau Florea keiner Bande angehört, nicht aggressiv bettelt, nicht kriminell ist und sich ausschließlich im öffentlichen Raum aufhält, weshalb es nichts gegen ihr Betteln einzuwenden gäbe. Das Gespräch eskalierte. Nach wenigen Sätzen und meiner erneuten Bitte, Frau Florea gewähren zu lassen, da sie nichts Unerlaubtes tue, wollte er die Polizei rufen. Ich unterstützte dieses Vorhaben gern, in der Hoffnung, unsere unterschiedliche juristische Einschätzung mit Hilfe der Beamt*innen klären zu können, aber dazu kam es leider nicht mehr: Er erteilte mir Hausverbot und warf mich raus. Ehrlich gesagt stört mich das nicht, denn nach dem ersten Konflikt mit ihm nutze ich ohnehin den Bio-Supermarkt schräg gegenüber. Da empfinde ich die Atmosphäre als deutlich menschlicher.
Frau Florea hat sich nun noch weiter links vor das Nachbarhaus gestellt. Außerdem habe ich einen Brief an die Konzernzentrale geschrieben. Der Marktleiter rief mich kurze Zeit später an. Ich habe jetzt kein Hausverbot mehr, und das Betteln von Frau Florea an der jetzigen Stelle ist kein Problem.  

Wie sehen Sie Betteln und wie denken Sie darüber?

Hanno Sprissler

Schreiben Sie uns Ihre Ansichten und Einschätzungen, gerne per Mail an: pfarrbrief@kirche-sk.de
 
Tipps zum Umgang mit Bettler*innen finden Sie hier auf einer Seite der Caritas