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Warum bin ich … katholisch?:Ulrich Giesen ist Förderschullehrer.

Zwei seiner Kinder sind konfessionslos, seine Frau und sein ältester Sohn sind evangelisch.
Ulrich Giesen
Datum:
12. März 2021
Von:
Julia Greipl

„Aus meiner Kindheit und Jugend sind mir eher negative Erfahrungen mit Kirche in Erinnerung geblieben. Dazu gehört der Kommunionunterricht, den ich im Keller unserer Nachbarin in einer Art Frontalunterricht über mich ergehen ließ. Später habe ich mich manchmal an konkreten Formulierungen im Gottesdienst gestoßen. Als junger Erwachsener habe ich einen Weihnachtsgottesdienst, in dem Kardinal Meisner „mit erhobenem Zeigefinger“ über das Thema Buße predigte, vorzeitig verlassen, um bei McDonalds einen „beruhigenden“ Kaffee zu trinken.

Ich glaube nicht an Gott, an die Geschichten in der Bibel, so wie sie aufgeschrieben sind. Für mich selbst spielen diese Dinge keine explizite Rolle. Aber ich erkenne vorbehaltlos an, dass Glauben für Menschen wichtig ist, er viel Halt geben kann. Im Rahmen meiner Lehrertätigkeit im inklusiven Unterricht habe ich auch den Religionsunterricht und Schulgottesdienste mitgestaltet. Dabei habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht. Ich finde es toll, wenn Schulgottesdienste den Schülern Mut machen und Selbstbewusstsein geben. Meine eigenen Kinder, die nicht getauft sind, haben in der Schule immer am Religionsunterricht teilgenommen. Das war mir wichtig; man kann sich nur mit etwas kritisch auseinandersetzen, was einem näher gebracht wird. Mein ältester Sohn hat sich vor einigen Jahren dafür entschieden, getauft und konfirmiert zu werden.

Warum gehöre ich immer noch der Kirche an? Religion ist menschengemacht, und sie hat ihre Berechtigung. Ich muss nicht entweder alles verteufeln oder streng gläubig sein. Aber ich „toleriere“ Kirche nicht nur. Was ich an Kirche und Gemeinde schätze, ist, dass sich ihr Angebot bedingungslos an alle richtet. Es wird kein Mitgliedsausweis, kein „Glaubens- oder Eignungstest“ verlangt. Wenn Kirche Ernst macht mit ihrem Auftrag, sind alle willkommen. Und es besteht eine besondere Gemeinschaft. Bei der alljährlichen Sommernachtsmusik von St. Nikolaus mitzuerleben, dass die Menschen bei strömendem Regen mit aufgespannten Schirmen einfach sitzen bleiben und gemeinsam Abendlieder singen, wäre bei einem kommerziellen Fest nicht denkbar.

Kirche vermittelt christliche Werte, die heute in unserer Gesellschaft mehr denn je wichtig sind.“