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aufbrechen - ausbrechen

Appetit, Kontostand, Interessen, Zeit, Lebewesen und Lebloses, Leistung, Liebe, Leben: Alles verändert sich, ist im Wandel, in Bewegung. Nichts bleibt auf Dauer so, wie es ist. Ununterbrochen wirkt eine transformierende Kraft. Entweder sie wirkt durch etwas, oder sie wirkt auf etwas. Alles was ist, wird von ihr berührt, egal ob leblos oder lebendig.
aufbrechende Kastanie
Datum:
10. Okt. 2019
Von:
Hanno Sprissler

Wenn Gott die Liebe ist (1Joh 4,16), dann ist er eine Kraft, die immer und überall verfügbar ist. Liebe ist Beziehung, sie schenkt Hoffnung und macht Unmögliches möglich. Liebe schenkt Leben.

aufbrechende Kastanie

Diese transformative Energie ist am offensichtlichsten in der Natur zu erkennen: Pflanzen wachsen, Flüsse fließen, Wind weht, Leben entsteht, Lücken werden gefüllt. Aber alles vergeht auch wieder und verwandelt, manchmal langsam, manchmal abrupt. Eine Pflanze verwelkt und zerfällt, ein Fluss gräbt über Jahrtausende ein Tal. Eine Hülle platzt auf, Energie entlädt sich im donnernden Blitz.

So auch in unserem Leben: Beziehungen entstehen langsam und schlafen wieder ein. Schlagartig verliebt … und anderswo zerbricht eine Beziehung im eskalierten Konflikt mit einem Knall. Nicht selten bricht etwas erst nach schleichender, unbemerkter Veränderung auf, bricht jemand aus, nachdem der jahrelang steigende Druck zu groß geworden ist. Immer ist es eine Kraft, die unnachgiebig zur Veränderung drängt. Selbst wenn ich dem Druck standhalte, die wirkenden Kräfte ignoriere oder sie abwehre, wenn ich versuche, Bestehendes mit allen Kräften zu erhalten – selbst mit aller Anstrengung kann ich Veränderung nicht dauerhaft aufhalten!

Wenn ich eine Veränderung nicht geschehen lasse, zulasse, ihr Raum gebe, sie annehme, dann folgen zwingend Aufbruch oder Ausbruch - und zwar überall im Leben, im Kleinen und im Großen: in meiner Partnerschaft, in der Familie, im Freundeskreis, in der Firma, in der Gemeinde, im Veedel, der Stadt, der Kirche … und auch in meiner Haltung, meiner Spiritualität, meinem Glauben.
Alles, was erstarrt ist, ist tot und wird verändert - Leben verändert sich selbst.

Ich kann den unaufhaltsamen Wandel aktiv gestalten, indem ich ausbreche, raus aus dem, was mich bindet und meine Entfaltung hemmt. Mit dem Ausbrechen kann ich mich auf den Weg machen und zu einem neuen Ziel aufbrechen. Ich kann Verhärtetes und Erstarrtes aufbrechen und durch Überwinden der harten Begrenzung Raum schaffen für neue, verletzliche, verwundbare Lebendigkeit. Ausbrechen aus dem Das-haben-wir-doch-immer-schon-so-gemacht. Aufbrechen der geschlossenen und verschlossenen Kreise. Ausbrechen aus den Vor- und Pauschalurteilen gegenüber Kirche oder Kirchenfernen.
Gott, die lebenspendende Kraft der Liebe, ist „kein Gott von Toten, sondern von Lebenden“ (Lk 20,38). Er will Leben und damit Veränderung, Aufbruch und Ausbruch.

Im Auf- und Ausbruch überwinde ich Grenzen, vielleicht sogar die Grenzen anderer. Meine persönliche Freiheit aber endet an den Grenzen meiner Nächsten. Immer wenn ich meine eigenen Grenzen durchbreche und verschiebe, bewege ich automatisch andere. Wie in einer vollbesetzten Straßenbahn werde ich dabei anecken und andere berühren, vielleicht bedrängen. Doch möglicherweise kann ich sie dadurch auch zu eigenem Handeln animieren, denn Aufbrüche sind immer auch deutliche Zeichen der Hoffnung, dass doch nicht alles so starr und unabänderlich ist, wie vermutet. Ich muss nur ausbrechen und aufbrechen.
… Leistung, Liebe, Leben: Alles verändert sich, ist im Wandel, in Bewegung und wir können das gestalten.

Ich glaube
dass Gott
das Leben will
und meine Lebendigkeit
dass Umbruch Neubeginn ist
und Aufbruch Verheißung
ich vertraue
den Fragen
der Suche
dem Weg
ich finde
Ankommen
im Vertriebensein
Heimat
in der Heimatlosigkeit
Nähe
in der Offenheit
ich lasse schmerzhaft los
und gewinne Leben
(Andrea Schwarz)